Hütchenspieler zocken uns immer wieder ab, warum fallen wir noch darauf rein?

Die Tage ereilte mich ein interessanter Anruf mit der Frage nach dem Hütchenspieler. „Sie zeigen doch auch das Hütchenspiel? Würden Sie das dann auch erklären? Man hört ja immer wieder Zauberer verraten ihre Tricks nicht.“ Stille. Ich war erstaunt. Natürlich zeigen viele Zauberer das Hütchenspiel, doch dient hier der Hütchenspieler zur Unterhaltung und nicht um zu zocken ging es mir durch den Kopf. Trickverrat? Nein, das fällt bei mir nicht darunter. Meine Antwort war „Ja“, ich zeige und erkläre es auch.

Noch erstaunter war ich, als dann die Frage kam „Würden Sie dies auch im Fernsehen zeigen?“ Es wurde interessanter – Gedanken wie, der Magier mit der Maske, Trickverrat im TV – die lünchen dich gingen mir durch den Kopf. Doch stopp mal, wir sprechen hier von der bekanntesten Abzocke, jeder weiß, dass es Betrug ist. (Na ja offensichtlich nicht jeder, denn sonst würden nicht immer wieder Passanten darauf reinfallen. Und es gäbe wohl auch diese Sendung nicht.)

Trickverrat oder Aufklärung?

Auch hier war meine Antwort „Ja“, denn es geht schließlich nicht um ein geheimes Trickprinzip, bzw. einen dramatischen Aufbau eines Zauberticks mit all seinen Raffinessen, sondern es geht schlicht und einfach um Falschspiel. Es gilt zu erklären, warum Zuschauer immer wieder auf Hütchenspieler reinfallen. Hütchenspieler findet man immer wieder z.B. in Berlin am Ku’damm oder Alexanderplatz und in fast jeder anderen gut besuchten Metropole dieser Welt. Das Hütchenspiel selbst ist sicherlich eines der ältesten und bekanntesten Falschspiele. Warum fallen wir immer wieder darauf rein? Sollten wir nicht meinen, dass es mittlerweile jeder kennt und vor allem jeder auch weiß, dass es Betrug ist? Weit gefehlt, zu diesem Schluss komme ich jedes Jahr wieder auf´s Neue.

Die Agentur

Ein paar Tage später klingelte mein Telefon erneut und eine nette Dame von der Agentur wollte mit mir die Details absprechen. Nach kurzem plaudern stand fest wir brauchen eine Demonstration. Also packte ich meine Zauberutensilien, naja eigentlich nur 3 Nussschalen und eine Kugel und die Dame ihr iPad ein. Dann trafen wir uns; ich mimte den Hütchenspieler und schon war ich auf dem Weg zur Sendung.

Menschen bei Maischberger

Eine interessante Sendung, welche ich selber oft schaue und das sage ich jetzt nicht nur so. Die Vorbereitungen waren perfekt. Es gab einen kleinen Tisch mit Glasplatte, darunter eine Kamera, welche das ganze Geschehen von unten filmen sollte, damit auch alles bestens zu sehen und zu verstehen ist. Ein kurzes Intro der anderen Gäste und dann lernte ich die Moderatorin kennen.

Sandra Maischberger und der Hütchenspieler

Eine sympathische Frau, die es innerhalb von Sekunden schaffte, den Fernsehtrubel um mich herum zu vergessen. Mit einer sehr entspannten, aber zugleich merkbar professionellen Ausstrahlung fragte sie mich die vorbereiteten Punkte zum Dreh ab und ich bemerkte fast gar nicht das wir eigentlich schon mitten in einer Aufzeichnung waren. Zwei weitere Gäste der Sendung wurden vorgestellt: Moderator Peter Escher und Kommissar Bodo Pfalzgraf, die sich beide schon lange Zeit mit dem Phänomen Hütchenspieler befassen.

Das Hütchenspiel

Der Hütchenspieler beginnt meist damit einen scheinbar wildfremden Passanten gewinnen zu lassen. Somit versucht er das Vertrauen der Zuschauer zu gewinnen und gaukelt ihnen vor jeder könne hier gewinnen. Was den wenigsten allerdings klar ist, es gehört immer eine Gruppe von mindestens 4-6 Gehilfen zum Hütchenspieler. Diese haben alle ihre einstudierte Funktion und spielen diese auch mit zielsicherer Überzeugung. Wie der Kommissar bestätigte verdient eine Gruppe an einem Tag mehrere Tausend Euro. Somit sollte jedem klar sein, das ist Business! Und hier ist nichts dem Zufall überlassen, auch wenn die Akteure manchmal doch so harmlos wirken. Ein simples Spiel mit doch so gewaltiger Anziehungskraft und psychologischer Raffinesse.

Fazit:

Leider wird dieses Thema in den TV-Medien meiner Meinung nach zu wenig aufgegriffen, Menschen bei Maischberger ist aber ein guter Anfang. Mit zunehmenden Sonnenstrahlen und wärmeren Temperaturen haben die Hütchenspieler leider immer wieder genügend Mitspieler und finden Opfer, die wirklich glauben, sie hatten einfach nur Pech gehabt. In den Printmedien liest man die Themen öfter; im Raum Berlin ist die Polizei, was die Hütchenspieler anbelangt, auf jeden Fall sehr präsent und verteilt jede Menge Aufklärungsmaterial.

Hier noch ein paar Meinungen zur Sendung von der Presse:

Die Sendung beginnt direkt mit einer vermeintlich investigativen Enthüllung. Der „älteste Taschenspielertrick der Welt“ soll entlarvt werden – das Hütchenspiel. Dazu demonstriert ein Zauberkünstler an einem gläsernen Tisch, wie man beim schnellen Verschieben dreier Nussschalen eine Kugel beliebig darunter positionieren kann.
Während sich der Zauberer verwundert darüber zeigt, dass noch so viele Touristen auf diesen simplen Trickbetrug reinfallen, wundert man sich als Zuschauer eher über Peter Escher. Der sympathische Fernsehmoderator mit dem Beinamen „MDR-Robin Hood“ verfolgt das Geschehen mit fast kindlichem Interesse und ist schließlich fasziniert, dass ihm das mal jemand gezeigt hat.

Welt online vom 29.10.2014


Dank einer Einlage des Zauberers Victor Lazzaro wissen die Zuschauer nun, wie Hütchenspieler vorgehen. „Wenn Sie jetzt nochmal spielen und darauf reinfallen, sind Sie selbst Schuld“, so das Urteil von Maischberger. Dieses Gefühl beschleicht den Zuschauer am Ende der Sendung dann auch: es gibt keine konkreten Schutzmaßnahmen vor Betrug und wenn man doch Opfer wird, ist man selbst Schuld.

Frankfurter Rundschau online vom 29.10.2014